Halle/Saalekreis ANZEIGE

Ein Chor als Aushängeschild

Händel-Festspiele Halle 2016

Ein Chor als Aushängeschild

VON KAI AGTHESingen. Bilden. Leben. Die Ausstellung zur 900-Jahr-Feier des Stadtsingechors zu Halle, die das Stadtmuseum Halle bis zum 28. August zeigt, ist als thematischer Dreiklang angelegt. Wie bei anderen renommierten Knabenchören auch, gilt beim Stadtsingechor zu Halle neben der musikalischen auch der schulischen und sozialen Bildung das Augenmerk. „Im Mittelpunkt unserer Schau stehen nicht die Chorleiter, sondern die Sängerknaben, die das traditionsreiche Ensemble in den vielen Jahrhunderten durchlaufen haben“, sagt Cordula Timm-Hartmann, die Kuratorin.Wohl um 1116 mit dem Kloster Neuwerk in Halle ins Leben gerufen, hatte der Chor die Gottesdienste und religiösen Feste sowohl im Kloster als auch in der Stadt Halle zu begleiten. „Die Jungen mit ihren hohen Stimmen galten als wichtiges Bindeglied zwischen Himmel und Erde, Gott und Gemeinde“, heißt es in der Ausstellung.Wie das im 12. Jahrhundert geklungen haben mag, lässt eine Audiostation erahnen, wo eine vom Stadtsingechor aufgenommene „Ostersequenz“ aus der Zeit um das Jahr 1000 zu hören ist. Wie Kompositionen schriftlich fixiert wurden, zeigt wiederum eine Diaschau mit mittelalterlichen Handschriften des Klosters Neuwerk, von denen eine einen Gesang über die Heilige Katharina enthält, die in Neumen notiert ist. Dabei handelt es sich um ein Zeichensystem, das als typografische Gedächtnisstütze daran erinnerte, wie der Gesang zu intonieren ist.Gewiss, Musik lässt sich nur schwer visualisieren. Das Stadtmuseum um seine Leiterin Jane Unger und die Kuratorin Timm-Hartmann haben jedoch aus der Not eine Tugend gemacht und viele belebende Elemente in die Schau eingefügt: In Klangtoren stehend, kann der Besucher auf Knopfdruck den Stadtsingechor Stücke aus verschiedenen Jahrhunderten singen hören.An mehreren audiovisuellen Stationen berichten derzeitige und ehemalige Sänger, die zwischen 10 und 75 Jahre alt sein mögen, wie sie ihre Zeit in den Reihen des Chors erleben bzw. erlebt haben.Enno und Emil Petersen danach gefragt, was ihr bislang schönstes Erlebnis als Sänger gewesen sei, nennen die Chorreise nach Finnland im vergangenen Jahr und ein Training mit den Fußballern des Halleschen Fußballclubs.Für Alexander Suckel, heute musikalischer Leiter des Schauspiels am Neuen Theater in Halle, war die Teilhabe im Stadtsingechor insofern prägend, weil er hier ein anderes Gefühl für Musik bekommen habe: Gesang als Gemeinschaftserlebnis. Noch heute sei ihm das Musikmachen in der Gruppe wesentlich lieber als allein zu musizieren.Im Mittelpunkt der Schau stehen die Sänger aus allen Jahrhunderten.“CORDULA TIMM-HARTMANNKURATORIN Hans-Dieter Wöllenweber, Chefarzt im Ruhestand, bezeichnet den halleschen Chor als Aushängeschild der Saalestadt und wünscht sich, dass er bald so bekannt sein möge wie der Kreuzchor in Dresden oder die Thomaner in Leipzig.In seiner langen Geschichte gab es für den traditionsreichen Knabenchor zahlreiche Höhen und Tiefen, so auch im 20. Jahrhundert. Ein Höhepunkt war 1923 die erste Auslandsreise, denen viele weitere folgen sollten. Malmö in Schweden und Christiania (Oslo) in Norwegen hießen die Stationen. Impressionen dieser und folgender Fahrten dokumentiert eine Fotowand.Zu den Tiefpunkten zählte die politische Gleichschaltung im Nationalsozialismus und in der frühen DDR. Im Dritten Reich hatte der Stadtsingechor „Standortspielschar“ und „Hallischer Hitler-Jugend- Chor“ zu heißen. Dem war es ab 1941 verboten, sonntägliche Gottesdienste, seine Aufgabe seit alters her, zu begleiten, da das der Tag der Hitler-Jugend sei, wie es in einer Verfügung hieß.1958 wiederum erinnerte ein Anonymus in einem Beitrag für die SED-Zeitung „Freiheit“ an die ideologische Aufgabe, die der Chor bislang nur ungenügend erfüllt habe: „Zur Verwirklichung einer sozialistischen Kulturpolitik erwarten wir vom Stadtsingechor eine entsprechende Umgestaltung seiner Programme, in denen die Vorrangigkeit unserer fortschrittlichen Werke und traditionsreichen Arbeiterkampflieder Ausdruck finden muss.“ Auch hier galt: Das war kein Wunsch, sondern Befehl. In beiden Diktaturen störte man sich vor allem am Repertoire, das traditionsgemäß ein geistliches ist. Zu diesem gehört auch Händels „Messias“. Natürlich erklang das Oratorium unter Leitung von Chordirektor Clemens Flämig auch beim Festkonzert des Chors am 8. Mai 2016, hier in Mozarts Bearbeitung. Erst 1803, auch darüber berichtet die Ausstellung, kam des Hallensers wohl bekannteste geistliche Komposition in seiner Heimatstadt zur Aufführung.Eine Händel-Komposition war es auch, die dem Chor einen bedeutenden internationalen Erfolg bescherte: 1987 erhielt das Ensemble eine Silberne Schallplatte des ungarischen Labels Hungaroton für seine Einspielung der Brockes-Passion, die in dem Jahr das meistverkaufte Album in Ungarn war.Singen. Bilden. Leben. Das ist eine kleine, gestalterisch feine Ausstellung, die dem Stadtsingechor alle Ehre macht. Die Gäste der Händel- Festspiele sollten eine Stunde für diese schöne Schau einplanen! „Singen. Bilden. Leben“ im Stadtmuseum Halle, Große Märkerstraße 10, Di-So 10-17 Uhr 

ANZEIGE

STADTSINGECHOR - Das Stadtmuseum Halle würdigt das Ensemble zur 900-Jahr-Feiermit einer Ausstellung.

23.5.2016

Ein Chor als Aushängeschild-2
Sie sind begeistert von der Ausstellung zum 900-jährigen Bestehen des Stadtsingechors zu Halle: Drei von derzeit gut 90 Sängerknaben FOTO: HOLGER JOHN

Samstag, 4. Juni

Halle
- Oper Halle
Lucio Cornelio Silla ,HWV 10 Oper von G. F. Händel

Musikalische Leitung: Enrico Onofri Regie: Stephen Lawless Bühne und Kostüme: Frank Philipp Schlößmann
Dramaturgie: André Meyer
Solisten: Filippo Mineccia (Lucio Cornelio Silla), Romelia Lichtenstein (Metella), Jeffrey Kim (Lepido), Ines Lex (Flavia), Antigone Papulkas (Claudio), Eva Bauchmüller (Celia), Ulrich Burdack (Mars/Scabro) Händelfestspielorchester Halle Erstaufführung nach der Hallischen Händel-Ausgabe

Eine Veranstaltung der Theater, Oper und Orchester GmbH Halle
19.30 Uhr

- St. Georgen-Kirche
Who’s afraid of Baroque?
Jazzige Improvisation, Commedia dell’Arte und Swing Solist: Vincenzo Capezzuto(Stimme) Soqqadro Italiano
21 Uhr

Montag, 6. Juni

Halle
- Botanischer Garten
„Wie herrlich grünen Baum und Strauch“ - Chorklänge von Natur und Liebe, Wandelkonzert und Picknick im Grünen mit Fanfaren, A-Cappella-Gesängen und Führung durch den Botanischen Garten

Universitätschor Halle
„Johann Friedrich Reichardt“ Pfeiferstuhl Music Halle

Musikalische Leitung: Jens Lorenz
18 Uhr