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Händels Herzenssache

Händel-Festspiele Halle 2016

Händels Herzenssache

VON MARGIT BOECKH Auch beim diesjährigen Händel-Fest werden die Töne seines „Messiah“ die hallesche Marktkirche füllen. Ein besonderer Ort: Hier wurde Halles berühmtester Sohn getauft, hier spielte er als Kind die Orgel. Der „Messiah“ aber ist in eigener Weise mit dem Innersten Händels verbunden. Nicht zufällig wurde gerade dieses Werk zum wohl weltweit bekanntesten und meist gespielten des genialen Barockmeisters. Im besten Sinne populär und erhaben, ist es eingängig und gleichzeitig ein tiefes Zeugnis des Glaubens. Woran aber wohl die wenigsten der Konzertbesucher beim Hörgenuss denken mögen: In dieser Musik klingt die Erinnerung mit an Händel als Wohltäter der Kinder. Den ärmsten und hilfsbedürftigsten der Kleinen, die im London seiner Zeit in erschreckender Zahl im Elend lebten, hat sich der wohlhabende Komponist mit großem Herzen tatkräftig zugewandt. Nein, leibliche Kinder hatte der Barock-Superstar wohl nicht, jedenfalls sind keine bekannt. Wie überhaupt Händel als Privatmann auch für die eifrigsten Musikhistoriker im wesentlichen „top secret“ geblieben ist. Was natürlich allerlei Gemunkel zeitigte - von der heimlichen Liebe zu einer Dame bis zu pikanten Männerfreundschaften. Doch Händel ist es gelungen, sein Leben vor fremden Augen zu verbergen. „Ich führe kein Tagebuch, ich lebe“, soll er einmal gesagt haben. Und doch hatte Händel viele Kinder, denen er im übertragenen Sinne ein fürsorglicher Vater war. "Ich führe kein Tagebuch, ich lebe.“

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HÄNDEL MIT HERZ - Die Ausstellung im Händel-Haus beleuchtet sein soziales Engagement.

23.5.2016

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Ein Modell der Franckeschen Stiftungen Halle in der Sonderausstellung des Händel Hauses. FOTO: GÜNTER BAUER

GEORG FRIEDRICH HÄNDEL
KOMPONIST
GEBOREN 1685 IN HALLE
GESTORBEN 1759 IN LONDON

Wer sie waren und wie Händel für sie sorgte, kann man in London und derzeit auch in Halle erleben. Im halleschen Händel-Haus geht die Ausstellung „Händel mit Herz – Der Komponist und die Kinder des Londoner Foundling Hospital“ den Spuren seines Wirkens nach. Im Stadtteil Brunswick birgt das Foundling Museum an dem Ort, wo sich bis 1934 das Waisenhaus befand, Sachzeugen, Kunstwerke von Unterstützern sowie eine der größten privaten Sammlungen zu Händel überhaupt. Die Heimstätte für Findelkinder und Waisen war 1739 von Thomas Coram gegründet worden. Den zu Wohlstand gekommenen Seemann hatte das Elend der Kinder bewogen, den britischen König George II. um Erlaubnis für die Errichtung eines Waisenhauses zu bitten.

Es waren indes so viele, die gerettet werden wollten, zu viele, so dass ein Lossystem über die Aufnahme ins Waisenhaus entscheiden musste. Unter den Unterstützern des sozialen Projekts befanden sich berühmte Künstler wie der Grafiker William Hogarth. Zum bedeutendsten Förderer jedoch wurde der Komponist aus Deutschland. Soziales Engagement hatte Händel schon vielfach bewiesen, ehe im Mai 1749 seine besondere Unterstützung für die Kinder mit einem Benefizkonzert für die Fertigstellung einer Kapelle begann, bei dem auch der Schlusschor aus dem „Messiah“ erklang. Die Erinnerung an die Waisenstiftung August Hermann Franckes im heimatlichen Halle, die Händel womöglich schon als Kind und bei späteren Besuchen erlebt hatte, mag im Hintergrund mitgewirkt haben. Händel stiftete dem Londoner Waisenhaus mindestens 10 000 Pfund Sterling (heute etwa drei Millionen Euro) sowie eine Orgel. Eine Zuwendung jedoch wirkt bis ins Heute: In seinem Testament vermachte der Komponist dem Hospital eine Reinschrift der Partitur und das Stimmenmaterial des „Messiah“.

Zwar umfasste das Legat nicht das alleinige Aufführungsrecht, jedoch waren künftige Benefizaufführungen damit gesichert. Schon die Uraufführung des Oratoriums 1742 in Dublin war sozialen Zwecken gewidmet. Jedoch hatten sich Kirchenkreise über die Darbietung des geistlichen Stücks in einem weltlichen Theater mokiert. Erst nach der Benefizveranstaltung in der damals noch nicht fertiggestellten Kapelle des Foundling Hospital wurde der „Messiah“ zu dem Werk, das Händel öfter dargeboten hat als jedes andere Stück.

Zuweilen finden solche Aufführungen auch heute noch statt im jetzigen Foundling-Museum, das auch Sitz des nach seinem Gründer benannten „Coram“-Kinderhilfsfonds ist. Wie Charles Burney in seinem 1785 erschienenen „Nachrichten von Händels Lebensumständen“ schreibt, war der „Messiah“ die Hinterlassenschaft des Komponisten, die „die Hungrigen speiste, die Nackenden kleidete und die Waisen versorgt“.

Nur wenige Schritte führen von der halleschen Marktkirche zum Händelhaus. Dort sind in der bis Januar 2017 laufenden Schau „Händel mit Herz“ einige besonders wertvolle Leihgaben aus London zu sehen. Das kostbarste Exponat ist die Originalpartitur des „Messiah“ mit dem berühmten „Hallejuja“. Allerdings nur noch bis zum 12. Juni. Dann kehrt das generöse Geschenk Händels an die Waisen zurück ins Foundling Museum. Und somit an den Ort, der dem „Messiah“ zum Siegeszug verhalf.

„Händel mit Herz“, Händel-Haus, Große Nikolaistr. 5, tägl. 10-18 Uhr

BIOGRAFIE 

Ganz London feiert ihnals Himmlischen

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Händel, porträtiert von Thomas Hudson (1701-1779) FOTO: ARCHIV

VON KAI AGTHE

Georg Friedrich Händel gilt als meistporträtierter Künstler vor der Erfindung der Fotografie. Trotz der Bildfülle sollte, wer ein authentisches Abbild Händels sehen möchte, dessen Grabmal in Londons Westminster Abbey betrachten, meint Julia Semmer, da die Physiognomie des Monuments von Louis-François Roubilac nach der Totenmaske des Tonsetzers aus Halle gearbeitet ist.

Der Franzose schuf schon zu Lebzeiten des seinerzeit berühmtesten Deutschen auf der Insel ein Händel-Denkmal. Die 1738 errichtete Skulptur ist heute im Victoria & Albert Museum zu finden. Ursprünglich stand sie in einem Vergnügungspark, wo Händels Musik regelmäßig zum Vortrag kam. Mit diesem Standbild wurde erstmals eine Persönlichkeit gewürdigt, die weder Engländer noch adlig war.

Auch Julia Semmer ist eine Zugereiste: Aus Querfurt stammend, lebt die Anglistin heute in London. Dem großen Hallenser hat sie ein ebenso kurzweiliges wie kluges Porträt gewidmet, das dessen 36 Londoner Jahre schlaglichtartig betrachtet. Am Beginn ihres Buches stellt die Autorin, wie oben angedeutet, ein Kapitel zur englischen Händel-Ikonografie.

„George Frideric Handel“ heißt ihr im Hasenverlag Halle erschienenes Buch. So riefen die Engländer den Komponisten, nachdem er 1710 mit dem Vorsatz nach London, in die Welthauptstadt des 18. Jahrhunderts, gekommen war, das kunstsinnige Publikum mit seinen italienischen Opern zu betören. Die Rechnung ging auf, beginnend mit seinem Debüt „Rinaldo“, für das sich im Jahr 1711 erstmals der Vorhang hob. Als das Interesse an dieser Art musikalischer Vergnügen in den 1730er Jahren erlahmte, wusste Händel fortan mit seinen Oratorien, allen voran dem „Messiah“, zu begeistern. Nach heutigem Verständnis war also Händel ein Popstar. In Ermangelung dieser Begrifflichkeit schwärmte die Themsestadt, so Julia Semmer, von ihrem „heavenly Handel“ (himmlischen Händel).

Der genoss seinen Erfolg in vollen Zügen. So himmlisch seine Kompositionen, so irdisch ihr Schöpfer: Ein korpulenter Kulinariker und leidenschaftlicher Weintrinker war er, so Semmer, der sein Geld sowohl in gewinnträchtige Unternehmungen investierte als auch in angesagte Kunst. Dennoch war Händel stets großzügig genug, für gute Zwecke zu spenden.

Julia Semmer: „George Frideric Handel – Ein Hallenser in London“, Hasenverlag, 136 Seiten, 14,80 Euro

Montag, 30. Mai

Halle
- Leopoldina, Festsaal

Festkonzert mit David Hansen
Werke von G. F. Händel
Musikalische Leitung: Alessandro De Marchi
Solist: David Hansen (Altus)
Academia Montis Regalis - 19.30 Uhr

Dienstag, 31. Mai

Halle
- Stadtmuseum

Halle 900 Jahre Stadtsingechor zu Halle Kuratorinnen-Führung durch die Sonderausstellung: Cordula Timm-Hartmann - 17 Uhr

- Botanischer Garten
„Wie herrlich grünen Baum- und Strauch“
Chorklänge von Natur und Liebe, Wandelkonzert und Picknick im Grünen mit Fanfaren, A-Cappella-Gesängen und Führung durch den Botanischen Garten

- Universitätschor Halle
„Johann Friedrich Reichardt“ Pfeiferstuhl Music Halle

Musikalische Leitung: Jens Lorenz Beginn: 18 Uhr

Franckesche Stiftungen
Celtic Baroque
Werke von H. Purcell, F. Geminiani, J. van Eyck, V. Ghielmi u. a.

Dorothee Oberlinger (Blockflöte), Fabio Rinaudo (Bagpipe), Vittorio Ghielmi,Christoph Urbanetz und Cristiano Contadin (Viola da gamba), Johanna Seitz (Harfe), Fabio Biale (Bodhran) - 19.30 Uhr

Mittwoch, 1.  Juni

Halle
- Händel-Haus

Händels Halle
Eine besondere Stadtführung rund um das Händel-Haus und durch die Straßen und Gassen der Stadt

Zu Fuß am Treffpunkt im Händel- Haus beginnend, werden Einblicke in die Historie und Gegenwart des Stadtviertels rund um Händels Geburtshaus geboten.
15 Uhr

- Händel-Haus
Händels Rose
Werke von H. Purcell,G. H. Stölzel und G. F. Händel

Solistin: Ina Siedlaczek (Sopran) Hamburger Ratsmusik - 19.30 Uhr

- Leopoldina, Festsaal
Festkonzert mit Romelia Lichtenstein

Magie und Mythos. Zauberinnen im Barock
Werke von G. F. Händel und G. Ph. Telemann
Musikalische Leitung: Bernhard Forck
Solistin: Romelia Lichtenstein (Sopran)
Händelfestspielorchester Halle - 20 Uhr