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Ein Klassikertreffen

Händel-Festspiele Halle 2016

Ein Klassikertreffen

VON STEFFEN KÖNAUFish von Marillion war schon da, Phil Bates vom Electric Light Orchestra, die schottische Popsängerin Maggie Reilly („Moonlight Shadow“) und der ehemalige Genesis-Gitarrist Steve Hackett. Auch Jon Lord von Deep Purple, Jethro Tull-Gründer Ian Anderson und Bobby Kimball (Toto) schlugen bei beim gleichnamigen Konzert während der Händelfestspiele schon eine „Brücke zur Klassik“ und vermählten eigene Hits mit dem Erbe der Komponisten, auf deren Schultern sie stehen.Ein Mann wie Fish, bürgerlich Derek W. Dick, hat das nie bestritten, sondern mit seiner früheren Band Marillion von Anfang an konsequent deutlich gemacht. Zeitweise startete jedes Konzert der Prog-Rock-Kapelle aus dem Städtchen Aylesbury in der englischen Grafschaft Buckinghamshire mit Gioachino Rossinis Overtüre zu „Die diebische Elster“, die dann später schlagartig in die Marillion- Hymne „Slainte Mhath“ überging. Näher können sich Rockmusik und Klassik nicht kommen. Außer natürlich, Gary Brooker ist in der Nähe. Den Gründer, Sänger und Chef der 1967 gegründeten britischen Band Procol Harum hat an Rockmusik immer die Stelle interessiert, wo sie klassisch wurde. „A Whiter Shade of Pale“, der erste Hit seiner damals noch kaum richtig gegründeten Band, orientiert sich an Johann Sebastian Bachs Orchester-Suite Nummer 3.Die damals so junge Formation - Booker und sein wichtigster Mann, der Texter Keith Reid, waren erst knapp über 20 - sahen sich selbst in den großen Schuhen von Bach, Händel und Beethoven.

BRIDGES TO CLASSICS - Mit dem Gründer und Sänger der Band Procol Harum kommt ein Held der populären Musik in die hallesche Galgenbergschlucht.

23.5.2016

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Der Engländer Gary Booker schrieb vor knapp 40 Jahren den Welthit „A whiter Shade of Pale“, den er mit seiner Gruppe Procol Harum bis heute auch live spielt. Zum diesjährigen „Bridges to classic“-Konzert kommt der Pianist und Sänger zusammen mit seinem Gitarristen Geoff Whitehorn erstmals nach Halle, um unter der Leitung von Bernd Ruf Klassiker und eigene Stücke zu spielen. FOTOS: KISON/DPA

Meister Bach lässt grüßen

„A Whiter Shade of Pale“, nach Angaben von Texter Reid ein Lied über einen Mann, der sich bei einer Party Mut antrinkt, während ihm allerlei seltsame Gedanken durch den Kopf gehen, lebt vor allem von Matthew Fishers Hammond-Orgel M-102, die einen sinfonischen Sound erzeugt. Fisher hat sich später erfolgreich in die Verteilung der Tantiemen aus dem Song eingeklagt, weil es - so ein Gericht - eben auch sein Spiel sei, das den Song so einzigartig mache.

Bach jedenfalls ist es nicht. Fachleute, die sich die Noten angeschaut haben, stellten fest, dass hier zwar viel an Bach erinnere. Dass es Gary Booker aber gelungen sei, ein völlig neues Lied zu schreiben, von Melodie und Noten her viel zu weit weg von Bach, um als Adaption bezeichnet zu werden.

Ein Werk, das von den ersten beiden - und einzigen - Aufnahmeversuchen im Studio an signalisierte, dass es nicht nur irgendein Liedchen sein würde. Vier Minuten langsamer, um das Ich kreiselnder Musik. Vier Minuten große Geste und bedeutungsschwangeres Geraune über Spielkarten, Räubergeschichten, Kellner, Meerjungfrauen und geisterhafte Gesichter, eingehüllt in jenen rätselhaften weißeren Schatten von Blassheit. Was immer das heißt.

"Aber später kamen fast noch mehr Steuerforderungen herein." 

GARY BOOKER

CHEF VON PROCOL HARUM

An nur einem Tag eingespielt, entwickelte sich das Lied im Sommer 1967 zu einem der ersten wirklichen Welt-Hits. In den britischen Charts notierte die Single vom Start weg auf Rang 1, sie blieb dort für sechs Wochen. In den USA stürmte sie unter die Top-Fünf und selbst die weniger rockbegeisterten Franzosen kauften in nur zehn Tagen rund 120 000 Singles. Weltweit wurden mehr als sechs Millionen Platten abgesetzt. Gary Booker, eben noch mit seiner alten Combo The Paramounts eher erfolglos unterwegs, war plötzlich ein Weltstar.

Und damit ein Pionier in diesem Job. Wie eine Riesenwelle schlug der Erfolg über ihm und seinen Kollegen zusammen. Gitarrist und Schlagzeuger hielten beim Tempo nicht mit. Der Manager musste gehen, weil er die Lage aus dem Blick verlor. Es kam viel Geld herein. „Aber später kamen fast noch mehr Steuerforderungen“, beschrieb Gary Booker die Situation selbst.

Gary Booker ist seinem Stil treu geblieben, über vier Jahrzehnte lang. Moden und Musiker kamen und gingen, Procol Harum lösten sich auf und fanden wieder zusammen. Die Grundlagen ihrer Musik - auf Alben wie „Homburg“ und „A Salty Dog“ ausgearbeitet - blieben. Procol Harum-Songs waren Suiten, kleine Opern und manchmal ausufernde Kunststücken wie „Repent Walpurgis“, eine knapp neunminütige Orgie an Gitarrenraserei, Pianoträumen und fingerfertiger Kirchenorgelbedeutsamkeit.

Mit dem Stück „Fellow Travellers“ vom Album „The Well’s on Fire“, 2003 nach immerhin zwölf unendlich langen Jahren Studiopause veröffentlicht, fand Booker dann auch direkt zu Händel, der 260 Jahre vor seiner Geburt keine zehn Kilometer von seiner Heimatgemeinde Hackney in der Brook Street gestorben war. Basierend auf des Hallensers „Lascia Ch’io Pianga“, einer Arie aus der Oper „Rinaldo“, entstand das fünfminütige bluesartige Stück, in dem Booker davon singt, dass das ganze Leben einer Reise „von Schatten zu Schatten“ gleicht.

Neuer Gitarrist ist mit dabei

Gary Booker und den aktuellen Procol-Harum-Gitarristen Geoff Whitehorn zum diesjährigen Konzert „Bridges to classics“ im Rahmen der Händelfestspiele einzuladen, lag da nur nahe.

Whitehorn, der mit legendären Gruppen wie Bad Company, Jethro Tull und The Who, aber auch mit Roger Waters und Paul McCartney gearbeitet hat, ist ein wandlungsfähiger Stilist, der sowohl Rock als auch Jazz beherrscht und ein exzellenter Partner und Widerpart für den Bridges-Dirigenten und Crossover-Spezialisten Bernd Ruf sein dürfte.

Ruf, Dirigent, Klarinettist, Dozent und Produzent, wird es, wie seit 13 Jahren schon, auch dieses Mal schaffen, die Gratwanderung zwischen Klassik, Rock und Pop als ein kalkuliertes Wagnis zu zelebrieren, bei dem das Publikum auf seine Kosten kommen dürfte.

„Bridges to classics“ am 11. Juni um 21 Uhr in der Galgenbergschlucht

BÜHNE

Romantische Kulisse


Die Galgenbergschlucht in Halle erhielt ihren ungewöhnlichen Namen, weil in dem Einschnitt am Galgenberg, der mit 136,4 Metern Halles höchste Erhebung bildet, bis 1798 tatsächlich Hinrichtungen am Galgen stattfanden. 1920 starben hier bei Kämpfen zwischen Arbeitern und Putschisten 20 Menschen, an die eine Gedenktafel erinnert. Kaum noch etwas zu sehen ist von den Steinbrüchen, die hier, wo archäologischen Funden zufolge schon in der jüngeren Steinzeit Menschen siedelten, Baumaterialgewinnung für den Haus- und Straßenbau in Halle gedient hatten. 1950 begann die Erschließung der Restflächen für die Naherholung. In der Galgenbergschlucht, die keine natürliche Schlucht ist, sondern durch besagten Steinbruch entstand, fanden bereits zu DDR-Zeiten die Abschlusskonzerte der Händel-Festspiele statt. Auch andere Konzertereignisse hat die eigentlich so ruhige, abgeschiedene Gegend im Norden der Stadt schon erlebt. So gastierte hier einst die DDR-Supergruppe Gitarreros, später auch der Deutschrocker Udo Lindenberg.

Samstag, 11. Juni

Halle

- Händel-Haus
Fest für die ganze Familie

Neben dem Kinderkonzert wird auf dem Hof des Händel-Hauses ein buntes Nachmittagsprogramm geboten, u. a. mit einer Druckwerkstatt und der Möglichkeit, dass Kinder kleine Musikinstrumente selber bauen.
15 Uhr, Eintritt zu dieser Veranstaltung ist frei.

- Leopoldina, Festsaal
Concerti grossi - Händel im Kreis seiner Zeitgenossen

Werke von G. F. Händel, A. Caldara, F.Geminiani, G. Bononcini und Ch. Avison
Café Zimmermann
16 Uhr

- Konzerthalle Ulrichskirche
Dido & Cleopatra

Festkonzert mit Anna Prohaska und Giovanni Antonini Werke von H. Purcell, F. Cavalli, J. A. Hasse, G. F.Händel u. a.
Musikalische Leitung: Giovanni Antonini Solistin: Anna Prohaska (Sopran) Il Giardino Armonico
19.30 Uhr

- Galgenbergschlucht
Bridges to Classics mit Feuerwerk mit Gary Brooker und dem Gitarristen Geoff Whitehorn von Procol Harum
Benjamin Köthe, Keyboards und Arrangements
German Pops Band & Singers
Leitung: Bernd Ruf
Staatskapelle Halle Einlass: zwei Stunden vor Beginn
Beginn: 21 Uhr

Sonntag, 12. Juni

Halle
- Marktkirche zu Halle
Festgottesdienst
10 Uhr

- Dom zu Halle
Festkonzertmit Ian Bostridge Werke von G. Ph. Telemann und G. F. Händel
Musikalische Leitung: Steven Devine (Cembalo) Solist: Ian Bostridge (Tenor) Orchestra of the Age of Enlightenment
16 Uhr

- Galgenbergschlucht
Abschlusskonzert mit Musikfeuerwerk Werke von C. Monteverdi, W. Hayes, L. van Beethoven, C. Saint-Saens, M. Ravel und G. F. Händel
Anlässlich 900 Jahre Stadtsingechor Halle

Musikalische Leitung: Jan Michael Horstmann Solisten: Solisten der St. Florianer Sängerknaben (Sopran), Alois Mühlbacher (Alt), Markus Stumpner (Tenor) St. Florianer Sängerknaben, Knabenchor Hildesheim, Stadtsingechor zu Halle Staatskapelle Halle
21 Uhr