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Beziehungskiste 

Händel-Festspiele Halle 2016

Beziehungskiste 

VON JOACHIM LANGE Georg Friedrich Händel war alles mögliche. Musikalisch ein Genie. Als Theater-Praktiker ein ausgebuffter Pragmatiker. Auch im Umgang mit seinen eigenen Werken, deren Wiederaufnahme oder der gelegentlichen Wiederverwendung sprich Neuzusammenstellung von einmal Komponiertem. Wenn das Publikum, also der Markt, es wollten oder hergaben, dann lieferte er das Gewünschte. „Didone abbandonata“ ist auf diese Weise sogar zu einem Komponistenduo gekommen, das neben Händel seinen Zeitgenossen Leonardo Vinci (1690-1730) nennt. Wie Vincis Musik abgehen kann, wurde der erstaunten Nachwelt vor Augen und Ohren geführt, als seine nur für Kastraten komponierte Oper „Artaserse“ vor einigen Jahren Furore machte.Erstklassige Countertenöre

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Händel-Festspiele präsentieren im Goethe-Theater Bad Lauchstädt die Produktion „Didone abbandonata“.

23.5.2016

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Barocker Beziehungsstress: Rinnat Moriah (Dido, l.), Kangmin Justin Kim (Aeneas) und Elisabeth Auerbach (Selene) FOTO: ANNEMONE TAAKE 
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Didone abbandonata ist eine Produktion der renommierten Lautten Compagney Berlin, der Händel Festspiele Halle und des Theaters und Orchesters Heidelberg. Die deutsche Erstaufführung wird in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln gezeigt. Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Wolfgang Katschner (Foto), dessen Ensemble den Orchesterpart übernimmt. 
FOTO: ARCHIV

Was daran lag, dass man die heute tatsächlich mit erstklassigen Countertenören besetzen kann, die hier ein vokales Feuerwerk sondergleichen entfachen können. In Halle hat Vinci zum ersten Mal mit „Semiramide“ während der letzten Händel-Festspiele einen Fuß auf die Bad Lauchstädter Bühnenbretter gesetzt.

Dass seine 1726 entstandene und von Händel 1737 am Londoner Theatre Royal herausgebrachte „Didone abbandonata“ wie maßgeschneidert nach Bad Lauchstädt passt, konnte man im vorigen Winter in Schwetzingen bei der deutschen Erstaufführung überprüfen. Im dortigen Rokoko-Theater war die jetzt in Bad Lauchstädt zu sehende Produktion ein voller Erfolg.

Händel hat das Werk mit effektvollen Arien von Hasse und Vivaldi ergänzt. Der Text stammt vom berühmtesten Librettisten der Epoche: Metastasio.

Liebhaber ist ein Krieger 

Für die Regisseurin Yona Kim war das genügend Futter, um die Story um die Trennung des trojanischen Promi-Flüchtlings Aeneas von der karthagischen Königin Dido als eine Beziehungskiste im Kammerspielformat auf die Bühne zu bringen. Die Königin liebt Aeneas. Und umgekehrt. So weit so gut. Aber Aeneas ist nicht nur der smarte Liebhaber, sondern im Hauptberuf Krieger und obendrein mit seinen Leuten auf der Flucht, um in Italien das neue Griechenland zu gründen. Die Handlung kommt auf Touren, weil der afrikanische Barbar Jarbas auf Dido und deren Reich scharf ist. Das liefert Stoff für ein Dauer-Duell zwischen dem Trojaner (der hier die Rolle des Guten übernimmt) und dem Afrikaner Jarbas. Hier darf man sich auf einen veritablen Zickenkrieg zwischen zwei Countertenören freuen!

Damit das Ganze nicht zu einfach wird, ist auch noch Didos Schwester in Aeneas verliebt, während sie ihrerseits von einem Vertrauten Jarbas’ begehrt wird, der so zwischen die Fronten gerät. Und dann werden wir auch noch Zeugen eines abrupten Seitenwechsels (von Jarbas zu Dido).

Dass das alles nicht nur eine vertrackte Beziehungskiste, sondern auch höchst politisch ist, offenbart sich im Finale. Da entscheidet sich Aeneas gegen sein persönliches Liebesglück und für den historischen Auftrag. Gegen diese Katastrophe hilft dann gar nichts nehr. Nachdem Aeneas auf und davon ist und Jarbas von Dido endgültig zurückgewiesen wurde, fackelt der Finsterling ganz Karthago ab. Inklusive der verlassenen Königin. Aber Yona Kim hält sich mit Katastrophenästhetik zurück und konzentriert sich mehr auf das Drama um unerwiderte Liebe und Verlassen-Werden.

Die Inszenierung ist also nicht nagelneu, sondern erprobt. Ein exklusives Festspielschmankerl für Bad Lauchstädt gibt es aber doch: Diesmal wird Wolfgang Katschner nicht nur wie in Schwetzingen dirigieren, sondern mit seiner Lautten Compagney den Orchesterpart bestreiten.

Ein musikalischer Höhepunkt

Diese Truppe sorgte in den letzten Jahren ja immer (quasi als Spezial-Orchester des Goethe-Theaters) für einen besonders funkelnden musikalischen Festspiel-Höhepunkt. Die zahlreichen Fans dürfen also ganz zu Recht dem Moment entgegenfiebern, wenn Katschner und seine Musiker mit ihrem besonderen Drive vor aller Ohren vorführen werden, warum Händel Vinci so sehr schätze. Und weswegen er ihn ohne falsche Eitelkeit an seine Seite holte - um gemeinsam mit ihm barockes Opernglück zu produzieren.

Premiere am 28. Mai, 14.30 Uhr, im Goethe-Theater Bad Lauchstädt (ausverkauft); Tel. Kartenanfragen für weitere sowie andere Aufführungen und Konzerte bei Tim-Ticket: 0345 / 565 27 06, Mo-Fr 7 bis 19, Sa 7 bis 14 Uhr

Samstag, 28.Mai

Halle
- Konzerthalle Ulrichskirche

Catone, HWV A7
Pasticcio (Oper) von G. F. Händel und L. Leo
Musikalische Leitung: Carlo Ipata Solisten: Sonia Prina (Catone), Roberta Invernizzi (Marzia), Riccardo Novaro (Cesare), Kristina Hammerström( Arbace), Lucia Cirillo (Emilia) Auser Musici
Koproduktion des Festival Opera Bargamit dem Teatro di Pisa in Zusammenarbeit mit den Händel-Festspielen Halle  - 19 Uhr

Sonntag, 29.Mai


Halle
- Dom zu Halle

Festgottesdienst - 10 Uhr

Uni Halle, Löwengebäude
Inspired by Song
Greensleeves und andere Variationszyklen für Blockflöte und Barockensemble
inspiriert von frühbarocken englischen Liedern
Solisten: Dorothee Mields (Sopran), Stefan Temmingh (Flöte)
The Gentleman“s Band  - 11 Uhr

Franckesche Stiftungen
Duetti amorosi
Werke von G. F. Händel und L. Vinci
La Venexiana  - 16 Uhr

Händel-Haus
Fuggi dagli occhimiei
Kantaten und Arien von G. F. Händel und seinen italienischen Zeitgenossen A. Scarlatti, L. Vinci, F. Manchini und G.  B. Bonochini
Musikalische Leitung: Annegret Siedel (Barockvioline)
Solistin: Hanna Zumsande (Sopran) Bell’arte Salzburg  - 19 Uhr

Montag, 30. Mai

Halle  
- Händel-Haus

Internationale Wissenschaftliche Konferenz, Mythos Aufklärer-Mythos Volk? Zwei Topoi der Händel-Rezeption und ihre Kontexte Verleihung des 3. Internationalen Händel-Forschungspreises der G.- F.-Händel-Gesellschaft e. V. Veranstalter: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Musik/Abteilung Musikwissenschaft zusammen mit der Stiftung Händel-Haus Halle, der Georg-Friedrich-Händel-Gesellschaft e. V., Internationale Vereinigung, 10 - 17 Uhr