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Klinken putzen für die optimale Ausgangslage

Starke Impulse

Klinken putzen für die optimale Ausgangslage

Strukturwandel - kaum ein anderer Begriff geistert in einer derartigen Intensität durch die Region. Die Kohleverstromung soll im Jahr 2038 enden, im Burgenlandkreis liegt das davon betroffene „Kernrevier“, in dem die Mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft (Mibrag) ihren Sitz hat. Doch was ist das „Kernrevier“ überhaupt genau? Und was hat es mit den zahlreichen anderen Begriffen und Abkürzungen auf sich? Im Rahmen einer Pressekonferenz klärte Anika Meinhardt, Leiterin der Stabsstelle Strukturwandel im Landratsamt, auf. Kernrevier Das Kernrevier im Burgenlandkreis umfasst die Städte bzw. Gemeinden Elsteraue, Lützen, Hohenmölsen, Zeitz und Teuchern. Im Mitteldeutschen Kohlerevier gibt es zwei weitere Kernreviere, Amsdorf in Mansfeld-Südharz und Schleenhain im Landkreis Leipziger Land.Interkommunale Arbeitsgruppe (IKA)Diese Arbeitsgruppe tagt im Rhythmus von vier Wochen. Ihr gehören der Landrat, die Bürgermeister des Kernreviers, die Stabsstelle Strukturwandel des Burgenlandkreises, die Revieragentur (Agentur für Arbeit Weißenfels) sowie ein Projektbüro an. Die IKA trägt Vorschläge für förderwürdige Projekte zusammen, berät sie und leitet sie weiter. Bisher hatte sie 287 Projektvorschläge auf dem Tisch. Je nach Thema zieht sie Fachleute zur Beratung hinzu.Strukturstärkungsgesetz (StStG)Ursprünglich sollte dieses Gesetz zum 1. Januar 2020 in Kraft treten, dies wird sich jedoch verzögern. Mehrere Betroffene Organe sowie an der Gesetzgebung beteiligte Gremien haben Änderungsvorschläge eingebracht. Wahrscheinlich ist, dass das Gesetz nun gemeinsam mit dem Kohleausstiegsgesetz im Frühjahr 2020 in Kraft tritt.Die vom Strukturwandel betroffenen Bundesländer haben im Bundesrat keine Mehrheit und können Wünsche daher nicht ungehindert einbringen. Gestritten wird unter anderem um Begrifflichkeiten (zum Beispiel die Streichung von „bis zu“-Aussagen) oder um eher schwammig formulierte Passagen. So ist beispielsweise nicht klar, dass die geplanten 40 Milliarden zusätzlich bereitgestellt werden - sie könnten auch aus bereits vorhandenen Fördertöpfen kommen. Auch die Zahl von 5000 Stellen in Bundesbehörden ist ein Knackpunkt. Sie könnten entweder zusätzlich neu geschaffen oder lediglich erhalten werden.Metropolregion Mitteldeutschland Management GmbH (MMM)Sie ist Regionalpartner für die Programme „Unternehmen Revier“ und GRW. Aufsichtsratsvorsitzender ist Landrat Götz Ulrich. Die MMM könnte künftig zur Projektentwicklungsgesellschaft werden.Unternehmen RevierEin neu aufgelegtes Bundesprogramm für Pilotprojekte. Es steht, dem Namen nach, vorwiegend Unternehmen offen. Auf zehn Jahre stehen 40 Millionen Euro zur Verfügung. Der Anteil des Mitteldeutschen Reviers beträgt 1,6 Millionen Euro pro Jahr.Je Projektvorschlag ist die maximale Fördersumme auf 200000 Euro begrenzt. Wert gelegt wird vor allem auf Wertschöpfung, Arbeitsplätze, Energieversorgung und Mobilität, aber auch Maßnahmen für Tourismus und Attraktivität der Region können berücksichtigt werden.Abwicklungspartner für alle neun Gebietskörperschaften des Reviers ist der Burgenlandkreis. Bisher wurden 74 Projektskizzen eingereicht (davon 21 aus dem Burgenlandkreis) und 19 genehmigt (vier aus dem Burgenlandkreis).Darunter sind beispielsweise eine Anlage zur Herstellung und Speicherung von Wasserstoff inklusive eines Lkw für Testfahrten, eine Pilotanlage zur Herstellung von treibhausgasneutralem Futter- und Düngemittel und ein Museum, das die 7000-jährige Entwicklung des Tagebaus in der Region betrachten soll.Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW)Hier werden Bundes- und Landesmittel verwendet, um in erster Linie Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten. Es gibt dabei eine sogenannte „Experimentierklausel“, die zum Ziel hat, nicht direkt Investitionen, sondern vor allem Studien und Machbarkeitsanalysen zu fördern.Hier soll auch die Bevölkerung mitgenommen und befragt werden, dies wurde mit einer ersten „Zukunftswerkstatt“ in Zeitz bereits angefangen. Hauptaugenmerk liegt auf zwei Punkten: Eine Technologiefeldanalyse soll ermitteln, was sich künftig weiterzuentwickeln lohnt. Im Blick sind beispielsweise ein Logistik-Hub und ein Hochschulstandort für die Region. Als zweiter Punkt soll eine Grundlagenstudie alle verfügbaren Gewerbe- und Industrieflächen erfassen, die potenziellen Investoren angeboten werden können.Innovationsregion Mitteldeutschland (IRMD)Sie ist ein Projekt der neun Gebietskörperschaften des Mitteldeutschen Reviers (Landkreise und die Städte Halle und Leipzig) im Rahmen der GRW.Regionales Empfehlungsgremium (REG) und Ständiger AusschussZwei Gremien, die Empfehlungen bzw. Entscheidungen zu den Förderprogrammen „Unternehmen Revier“ und GRW treffen.Das GeldAktuell stehen 1,5 Milliarden Euro bis 2021 zur Verfügung. Aus dem Strukturstärkungsgesetz (StStG)werdenweitere 26 Milliarden vom Bund für die kommenden 20 Jahre erwartet, weitere 14 Milliarden kommen über die Länder hinzu.Die aktuellen 1,5 Milliarden stammen aus bereits bestehenden Programmen und werden für Maßnahmen eingesetzt, die bereits „in der Schublade“ liegen. Das führt dann zu solchen wenig nachvollziehbaren Entscheidungen, wie den Naumburger Dom zu reinigen oder die Planungen für die Ortsumgehung Bad Kösen voranzutreiben. Damit sind auch die Gremien vor Ort nicht zufrieden, haben sie doch damit nichts zu tun. Die Entscheidungen wurden auf Bundesebene gefällt. Vorhandene Mittel und vorhandene Projekte wurden einfach in Einklang gebracht und mit dem Stempel „Strukturwandel“ versehen.Harte Fakten?Konkrete Projekte und sichtbare Erfolge sind im Moment noch Mangelware, räumen alle Beteiligten ein. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das Strukturstärkungsgesetz noch gar nicht in Kraft und von den in Aussicht stehenden 40 Milliarden noch kein Euro geflossen ist.Wird also im Moment vor allem heiße Luft und viel Papier produziert? Die Arbeit der verschiedenen Gremien spielt sich in der Tat im Hintergrund ab und verfolgt derzeit zwei Ziele: Einerseits wird versucht, auf noch laufende Gesetzgebungsprozesse Einfluss zu nehmen. Andererseits sollen möglichst viele Ideen und Projekte skizziert werden, die dann gewissermaßen „auf Halde liegen“.Gewissermaßen ist das Mitteldeutsche Braunkohlerevier und der Burgenlandkreis mit dem Kernrevier, derzeit intensiv damit beschäftigt, Klinken zu putzen, um sich eine optimale Ausgangsposition für den bevorstehenden Strukturwandel zu erarbeiten. Martin Schumann

Strukturwandel: Der Kohleausstieg ist in aller Munde. Der Bund will 40 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, um die Folgen abzumildern. Doch wann geht es los?

16.01.2020 10.00 Uhr

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Der geplante Kohleausstieg stellt alle Beteiligten und die Betroffenen vor große Herausforderungen, für die niemand im Augenblick verlässliche Lösungen bieten kann. FOTO: ARCHIV/HARTMUT KRIMMER