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Götz Ulrich in Burgenlandkreis: Hilfe für die Ukraine, "Leuchttürme" und Projekte zum Strukturwandel

INTERVIEW: Landrat des Burgenlandkreises Götz Ulrich zieht Bilanz des vergangenen Jahres und blickt auf 2023.

Götz Ulrich in Burgenlandkreis: Hilfe für die Ukraine, "Leuchttürme" und Projekte zum Strukturwandel

Im "Impulse"-Interview zieht Landrat Götz Ulrich (CDU) eine Bilanz des vergangenen Jahres und schaut auf 2023. FOTO: NICKY HELLFRITZSCH

Ukraine-Krieg, Inflationssprünge und Suche nach Energiequellen: Welches Fazit des Jahres 2022 ziehen Sie für den Burgenlandkreis?

In einem Jahr mit so vielen Krisen war es schwer, langfristige Pläne zu machen und diese umzusetzen. Wir sind daher auf Sicht gefahren: Im Hinblick auf die Energiekrise als Folge des russischen Angriffskrieges haben wir für die Menschen elf Standorte, wir nennen sie ,,Leuchttürme", im Burgenlandkreis vorbereitet.

In jeder Einheits- oder Verbandsgemeinde gibt es damit ein großes Zentrum, in dem man Hilfe bekommen kann, wenn Strom, Gas, Mobilfunk, Festnetztelefonie ausfielen. Zum Glück haben wir sie bisher nicht benötigt. Bei dem Thema Impfpflicht für Beschäftigte in ambulanten oder stationären medizinischen Einrichtungen, Pflegeeinrichtungen und Heimen haben wir die Versorgung der Menschen vor Ort klar in den Vordergrund gestellt und keine Beschäftigungsverbote ausgesprochen. Wenn die Lage in der Pflege oder medizinischen Versorgung angespannt ist, kann man nicht Arbeitskräfte nach Hause schicken.

Die Unterbringung von insgesamt rund 4.000 Menschen, die vor allem aus der Ukraine als Geflüchtete zu uns kamen, aber auch aus Syrien, Afghanistan und dem Iran, dauerte das ganze Jahr an. Mit der Einführung des neuen Wohngeldes und des Bürgergeldes hatten und haben unsere Mitarbeiter in kurzer Zeit große Veränderungen zu stemmen. Als Landratsamt und Jobcenter haben wir die vielen zusätzlichen Aufgaben dank zahlreicher engagierter und fleißiger Kolleginnen und Kollegen bisher gut gemeistert. Wir kommen aber an eine Belastungsgrenze. Noch mehr Krise sollte jetzt nicht kommen.

Hilfe für die Ukraine: Christian Hähnert aus Eckartsberga organisiert zusammen mit Ivona Fulsche einen Hilfstransport. FOTO: ARCHIV (BIEL)
Hilfe für die Ukraine: Christian Hähnert aus Eckartsberga organisiert zusammen mit Ivona Fulsche einen Hilfstransport. FOTO: ARCHIV (BIEL)

Trotz dieser schwierigen Umstände ist es uns gelungen, richtungsweisende Projekte im Burgenlandkreis voranzubringen: Wir haben eine Strukturentwicklungs- und Wirtschaftsfördergesellschaft gegründet. Sie wird große Projekte im Strukturwandel vorantreiben, aber auch unsere Unternehmen beraten. Im Gedächtnis geblieben sind mir außerdem die umfangreichen Beteiligungsprozesse für den neuen Bildungscampus Weißenfels und die Pestalozzischule Zeitz. Wenn man solche großen Bauprojekte im Bildungsbereich stemmen will, muss man alle Akteure einbeziehen.

Ein weiteres großes Unterfangen war die Gründung der neuen Tourismus-GmbH, die im Januar 2023 ihre Arbeit aufnimmt und Saale-Unstrut als länderübergreifendes touristisches Ziel in Sachsen-Anhalt und Thüringen vermarktet. Die Liste ließe sich mit der Großübung zur Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest, den Konzepten für den Bevölkerungsschutz und vielen anderen Aspekten noch fortführen. Was wir im zurückliegenden Jahr alles geschafft haben, wird mir tatsächlich erst bei diesem Rückblick ganz bewusst. Deshalb danke ich allen, die daran mitgewirkt haben.

Nach Beginn des Ukraine-Krieges hat es einerseits eine große Hilfsbereitschaft gegeben, andererseits gehen Menschen aus Protest unter anderem gegen die hohen Energiepreise auf die Straße. Wie beurteilen Sie die Stimmung im Burgenlandkreis?

Es gab im Burgenlandkreis nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine eine große Hilfsbereitschaft. Insgesamt sind zwölf Hilfstransporte auf die Reise in die Ukraine gegangen, über 125.000 Euro wurden gespendet. Aber auch die Unterstützung bei Behördengängen oder bei Unterbringung und Wohnungssuche durch die Einheimischen war über viele Wochen hinweg enorm.

Natürlich schürt der Krieg in unserer unmittelbaren Nachbarschaft bei vielen Menschen Ängste. Diese finden auch Ausdruck in Versammlungen. In den vergangenen drei Jahren gab es einen deutlichen Anstieg von 120 Kundgebungen und Aufzügen im Jahr 2020 auf mehr als 400 allein in 2022.

Der überwiegende Teil richtete sich gegen die Corona-Maßnahmen, zunehmend traten aber auch der Krieg in der Ukraine sowie die damit verbundenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen in den Fokus. Antriebsfeder sind unter anderem Zukunftsängste und das Gefühl der gesellschaftlichen Spaltung.

Dennoch möchte ich ganz klar sagen: Es ist richtig und gut, dass wir mit vereinten Kräften in Not geratenen Menschen Zuflucht gewähren und diesen helfen. Dass der Krieg in Europa schon kurze Zeit nach dessen Ausbruch solche Auswirkungen auch auf unser Land, auf unsere Städte und Gemeinden, auf unsere Einwohnerinnen und Einwohner hat, ist höchst fatal und bedrohlich. Aber deshalb die Zuwendung und Hilfe für die vor Krieg, Gewalt und Zerstörung geflüchteten Personen in Frage zu stellen, so wie es inzwischen auf einigen Versammlungen gefordert wurde, halte ich für falsch.

Dazu kommt leider, dass immer wieder Verschwörungstheoretiker, Reichsbürger und Rechtsextremisten diese Versammlungen als Plattform nutzen, um ihr Gedankengut zu verbreiten. Ich betone: Die Sorgen der Menschen vor gravierenden Einschnitten, persönlich wie gesellschaftlich, sind verständlich. Diese Sorgen auch frei und ungehindert formulieren zu dürfen, das gewährleistet unser Grundgesetz mit der Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Mir persönlich ist aber wichtig, dass eine Brandmauer gegen Feinde unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bestehen bleibt.


Die Energiekrise hat die Diskussion um die Energiepolitik und den Strukturwandel neu entfacht. Sind Sie zufrieden mit dem Erreichten und dem bisherigen Weg zum Strukturwandel im hiesigen Kohlerevier?

In diesem wichtigen Arbeitsbereich sind wir im Jahr 2022 ein gutes Stück vorangekommen. Wir haben zum Beispiel kurz vor Weihnachten die Zusage erhalten, dass unsere Projektskizze für die Wasserstoffpipeline die höchste Bewertung erfahren hat und wir den Fördermittelantrag stellen können.

Die Fördermittel von rund 50 Millionen Euro sind die Voraussetzung für den Bau der Wasserstoffpipeline mit Anbindung an den Chemie- und Industriepark Zeitz. Es geht um die Nutzung von grünem Wasserstoff, weil damit wiederum auch die Grundlage gelegt werden soll für zahlreiche neue Investitionen durch die Firmen.

Diese Pipeline soll darüber hinaus bis an das geplante interkommunale Industrie- und Gewerbegebiet bei Weißenfels geführt werden. Auch die Entwicklung dieses Industrie- und Gewerbegebietes selbst ist ein wichtiges Vorhaben für den Strukturwandel. Für eine Machbarkeitsstudie dazu ist uns Ende 2022 der entsprechende Fördermittelbescheid übersandt worden. Ebenso möchte ich die Entscheidung in Erinnerung rufen, dass Teile eines Großforschungszentrums im Chemie- und Industriepark Zeitz angesiedelt werden sollen. Weitere Vorhaben befinden sich in der Vorbereitung, wie beispielsweise die Fernwärmeumstellung in Hohenmölsen oder die Neuausrichtung der MIBRAG. Darüber hinaus befinden sich viele Projekte im Förderaufruf ,,Altstadtsanierung Burgenlandkreis" in der Umsetzung, so zum Beispiel die Sanierung der Pestalozzischule und der Sekundarschule III/ Grundschule Mitte in Zeitz.

Die Realisierung all dieser Projekte gelingt jedoch nicht von heute auf morgen. Teilweise müssen wir von einigen Jahren an Planungs- und Vorlaufzeit ausgehen. Die Forderungen nach einem vorzeitigen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung halte ich deshalb für falsch, weil sich die Effekte unserer Projekte bis 2030 gar nicht einstellen können. Hinzu kommt, dass der Ukraine-Krieg die Ausgangslage weiter verschlechtert hat, beispielsweise was bezahlbare und verlässliche Energieversorgung oder Baupreissteigerungen betrifft.

Neue Wege wird die Saale-Unstrut-Elster-Region auch beim Tourismus gehen. Was versprechen Sie sich von der Gründung der Tourismus-GmbH und der Erweiterung bis hin nach Jena?

Ab 2023 ist Saale-Unstrut eine Tourismusregion in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Das wird uns alle stärken. Denn im Tourismus spielen Landkreis- oder Landesgrenzen aus Gästesicht keine Rolle. Hand in Hand haben wir in den letzten Monaten die Weichen für einen optimalen Start der neuen GmbH gestellt, die im Januar ihre Arbeit aufnimmt. Unter der Marke ,,Saale-Unstrut" und mit Sitz in Naumburg am Domplatz werden wir die Tourismuswerbung für die Stadt Jena und die Landkreise Saalekreis, Burgenlandkreis, Saale-Holzland-Kreis und Teile des Weimarer Landes durchführen. Ich verspreche mir davon eine deutlich größere Wahrnehmung deutschlandweit und eine Verlängerung der Aufenthaltsdauer unserer Gäste.

Erste größere Projekte der GmbH werden die Printbroschüren für die neue Gesamtregion sein. Zur Stärkung der Identifikation mit der Region wird es eine Kommunikationskampagne ,,Wir sind Saale-Unstrut" geben. Hierbei wollen wir auch darauf aufmerksam machen, dass wir Einheimischen beispielsweise Wasser-, Rad- und Wanderwege für unsere Freizeitgestaltung nutzen und damit selbst ,,Touristen" sind. Denn Tourismusentwicklung ist letztlich immer auch Lebensraumentwicklung für uns Einwohner selbst.

Sie haben immer wieder das Thema Bildung zum Schwerpunkt Ihrer Kommunalpolitik gemacht, obwohl es von anderen Themen offenbar ebenso oft überlagert wurde. Wie steht es um den geplanten Bildungscampus in Naumburg und jenen in Weißenfels?

Ziel ist es ja, Bildungs- und Begegnungsorte für die gesamte Bevölkerung zu schaffen, die unterschiedliche Generationen miteinander verbinden. Der Stand beim Bildungscampus Weißenfels ist sehr erfreulich. Aufgrund der Komplexität dieses außergewöhnlichen Campus-Projektes - hier ziehen Gymnasium, Volkshochschule und Musikschule sowie der Bürgerverein unter ein Dach - muss neben dem historischen Wert dieses Baudenkmals auch die zukünftige Nutzung optimal gewährleistet sein.

Um dies zu erreichen, wurde dem eigentlichen Planungsprozess ein Beteiligungsprozess vorangestellt. Er brachte die verschiedensten Akteure und späteren Nutzer zusammen. Entstanden ist ein detailliertes Raumkonzept, das die Grundlage für die Bauvoranfrage ist. Sie wurde im Dezember 2022 gestellt. Als nächster Schritt folgt in diesem Jahr die europaweite Ausschreibung der Planungsleistungen.

Das Projekt Bildungscampus Naumburg nimmt ebenso Gestalt an. Die Fläche wird aktuell beräumt und für den Neubau hergerichtet. Parallel wurde bereits ein Planungsbüro mit den Gebäudeplanungen beauftragt. Der Bildungscampus Naumburg soll eine große Sekundarschule, die Förderschule Lernen sowie die Berufsbildenden Schulen an einem Standort zusammenführen.

Dabei versuchen wir über Fonds für den Europäischen einen gerechten Übergang Fördergelder von bis zu 45 Millionen Euro für dieses Bildungsprojekt zu erhalten. Wir erwarten dazu dieses Jahr die Finanzierungszusage.

Lassen Sie uns noch einen Blick auf die Kreis-Finanzen und damit die Möglichkeiten für Investitionen werfen. Wofür wird das Geld 2023 ausgegeben?

Für das Jahr 2023 stehen im Bereich Hochbau vor allem Investitionen an Schulen an. So haben wir im Haushaltsentwurf beispielsweise Geld eingeplant für Bauarbeiten an der Neustadtschule Weißenfels. Hier soll das Kellergeschoss erneuert werden, außerdem sind Arbeiten an der Turnhalle sowie den Außenanlagen geplant.

Im Haushaltsplan enthalten sind des Weiteren Maßnahmen an der Weißenfelser Ökowegschule (unter anderem für die Tartanlaufbahn und den Schulhof), der Sekundarschule Droyßig (hier zum Beispiel für die Sportanlagen und Planungen einer Aula), der Sekundarschule Bad Bibra (unter anderem für die Sportanlagen) sowie für die umfangreichen Sanierungen der Pestalozzi-Schule in Zeitz und in Hohenmölsen.

Auch in die Standorte unserer kreiseigenen Musik- und die Volkshochschule wird Geld fließen, unter anderem für Digitalisierungsmaßnahmen Instandsetzung der Gebäude. Bei weitem den größten Anteil unserer Investitionen wird das Projekt des Bildungscampus in Weißenfels mit über elf Millionen Euro ausmachen. Neben den Schulstandorten werden wir uns auch des Frauenhauses in Weißenfels annehmen. Dieses enthält einen völlig neuen Standort. Zudem verfolgen wir die Modernisierung des Erlebniszentrums Arche Nebra in Wangen weiter.

Kräftig investieren wollen wir auch im Bereich des Straßenbaus. Diese Möglichkeit steht allerdings noch unter dem Vorbehalt der Haushaltsverabschiedung beim Land. Denn hierfür sind wir auf Landesmittel angewiesen. Sollten diese eingehen, dann werden wir im Tiefbaubereich mehrere Millionen Euro in dringende Maßnahmen investieren können. Da ist beispielsweise die Bahnbrücke in Deuben vorgesehen oder die Instandsetzung des Kreisstraße 2.241 zwischen Burgholzhausen und Tromsdorf. Insgesamt soll das Geld für 22 Maßnahmen verwendet werden.

Das neue Jahr hat soeben begonnen: Was wünschen Sie sich für den Burgenlandkreis für 2023?

Zunächst wünsche ich allen Einwohnerinnen und Einwohnern ein gesundes und friedliches neues Jahr.

Meine ganz persönlichen Wünsche sind, dass wir bald den ,,Krisenmodus" verlassen und wieder Atem holen und Kraft schöpfen können für all jene Aufgaben, die davon bislang überdeckt wurden. Und auch für die persönlichen Begegnungen, für die dadurch bisher immer zu wenig Zeit ist. Außerdem wünsche ich mir, dass wir weiterhin im kooperativen und respektvollen Miteinander über alle Parteigrenzen hinweg den erfolgreich eingeschlagenen Weg für den Burgenlandkreis fortsetzen. Wenn die Krisen dieser Zeit eines zeigen, dann das: Wie wichtig Miteinander und Solidarität sind.