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Jugendliche oft vor der "Qual der Wahl"

Burgenlandkreis Ausbildung: Angebot 2022 war größer Nachfrage

Jugendliche oft vor der "Qual der Wahl"

Die Handwerkskammer Halle hat sechs Unternehmen als "Vorbildliche Ausbildungsbetriebe" ausgezeichnet, die ihre Auszubildenden besonders fördern. Die Betriebe bieten Lehrlingen etwa betriebliche Zusatzangebote, weitere Qualifikationen oder Unterstützung bei schulischen Problemen an. FOTO: HANDWERKSKAMMER

Junge Menschen haben im Burgenlandkreis sehr gute Aussichten, einen Berufsausbildungsplatz zu bekommen. So hatten von Oktober 2021 bis September 2022 dort ansässige Unternehmen der Arbeitsagentur in Weißenfels insgesamt 922 Ausbildungsstellen gemeldet. Das sind fast zehn Prozent mehr, als noch im Bericht des Vorjahreszeitraumes aufgeführt waren. Rein rechnerisch standen damit jedem Jugendlichen 1,7 Ausbildungsplätze und somit gute Wahlmöglichkeiten zur Verfügung. Es blieben aber auch 108 der gemeldeten Ausbildungsstellen unbesetzt, weil das Angebot einfach größer als die Nachfrage war.

Diese Tatsache wiederum treibt so manchem Unternehmer die Sorgenfalten auf die Stirn. ,,Es gibt dadurch nämlich einen regelrechten Kampf um die Fachkraft von morgen", sagte Simone Meißner, Chefin der Arbeitsagentur Weißenfels. Die Unternehmen müssen mittlerweile attraktive Angebote unterbreiten, um für potenzielle Bewerber interessant zu sein. Das gilt bei der Vergütung, den Rahmenbedingungen und bei der Digitalisierung.

Keine Nachfolger und weniger Azubis

Gerade das Handwerk sucht händeringend Nachwuchs. Es gibt Betriebe, die nicht wegen mangelnder Aufträge, sondern wegen fehlenden Nachfolgern schließen müssen. Das sagt der Präsident der Handwerkskammer in Halle, Thomas Keindorf. Das Handwerk werde gebraucht. ,,Dächer werden immer gedeckt", nennt der 64-jährige bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger ein Beispiel.

Im Burgenlandkreis gab es in der Handwerkskammer Stand September 2021 insgesamt 2317 gemeldete Betriebe. Heute sind es schon zehn Unternehmen weniger, die am Markt sind. 2021 wurden 1332 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Im vergangenen Jahr hat sich auch diese Zahl verringert, nämlich um 52 (1280). „Früher gab es einen Überschuss an Auszubildenden, nun ist es andersherum", erklärt Keindorf diese Entwicklung. Er weiß um die Wichtigkeit des Handwerkes und um die Vorteile einer Beschäftigung auch in kleinen Betrieben.

In Großbetrieben werde zwar häufig mehr gezahlt, aber der Arbeitnehmer sei dafür oft nur eine Nummer. Außerdem seien die Mitarbeiter dort meist nur damit beschäftigt, Einzelteile für ein Gesamtprodukt herzustellen, welches sie meist nicht zu Gesicht bekommen. Es sei aber immer ein schönes Gefühl, das Ergebnis seiner Leistung zu sehen, sagt Keindorf. Das ist in kleineren Betrieben möglich. Es herrsche dort zudem auch meist ein familiäres Flair und auch soziale Aspekte würden oft großzügiger berücksichtigt. Denn es sei auch immer im Interesse des Unternehmers, seine Arbeitskräfte bei sich zu halten, sagt der Handwerkskammerchef.

Thomas Keindorf ist Präsident der Handwerkskammer Halle. FOTO: HANDWERKSKAMMER
Thomas Keindorf ist Präsident der Handwerkskammer Halle. FOTO: HANDWERKSKAMMER

Daher habe der Mitarbeiter heute auch ein größeres Mitspracherecht und der Unternehmer sei offen dafür, mit ihm neue Wege, beispielsweise auch bei Internetauftritten, zu beschreiten. Er habe hierbei nicht nur Interesse daran, eine gute Fachkraft auszubilden, sondern halte auch die Augen nach potenziellen Meistern auf, die den Betrieb irgendwann weiterführen könnten.

Das Handwerk sei mittlerweile auch viel technologisierter, als noch vor einigen Jahren, beschreibt Keindorf die Entwicklung. ,,Früher stand da in den Häusern als Heizung ein schwarzer Kasten im Keller, der befeuert wurde. Heute ist es so fortgeschritten, dass die Menschen während ihres Urlaubes am anderen Ende der Welt per Handy-App die Heizungen in ihren vier Wänden schon aus der Ferne auf die gewünschte Raumtemperatur einstellen können." Über diese modernen Arbeitsweisen müssen zukünftige Auszubildende informiert werden.

Dafür gibt es mehrere Projekte, die die Handwerkskammer einsetzt. So werden durch sie jährlich Unternehmen als ,,Vorbildliche Betriebe" ausgezeichnet. Das sind Betriebe, die ihre Lehrlinge besonders fördern und somit für einen gut ausgebildeten Nachwuchs sorgen. Im vergangenen Jahr wurde beispielsweise die Firma Feuerfest- und Schornsteinbau in Balgstädt, Günter Schulz, damit gewürdigt.

Handwerk prämiert Schülerpraktika

Sehr erfolgreich sei das bezahlte Praktikum, sagt Keindorf, der selbst seit 1987 selbstständig ist. Wenn ein Schüler in einem Handwerksbetrieb in Sachsen-Anhalt in den Ferien ein Praktikum absolviert, kann ihm vom Land pro Woche eine Prämie von 120 Euro ausgezahlt werden. In einem Jahr kann dies pro Person vier Mal in Anspruch genommen werden. Viele Ausbildungsverträge wurden dadurch nachfolgend später abgeschlossen.

Für die Zukunft ist geplant, ein Fahrzeug mit Informationsmaterialien über die jeweiligen Handwerksberufe auszustatten und damit die Schulen anzufahren. So soll es unter anderem 3-D-Brillen vorhalten, mit denen die Schüler beispielsweise über das Friseuroder das Sanitärhandwerk informiert werden. Außerdem ist vorgesehen, dass Handwerker selbst in die Schulen gehen können, um den Klassen ihre Berufe vorzustellen. Zudem gibt es noch die Idee, dass Schüler einen Unterrichtstag in der Woche in einem Handwerksbetrieb verbringen können.

 Außerdem hat die Handwerkskammer die Aktion "Hände hoch fürs Handwerk" initiiert. Ein bis drei Schüler und ein Vertreter aus Politik, Medien oder Sport durchlaufen hierbei ein Mini-Praktikum in einem Handwerksbetrieb in ihrer Region. Sie lernen viele Aspekte über diese Berufe kennen und probieren sich zudem praktisch in diesen Unternehmen aus, auf die in Zukunft nicht verzichtet werden kann. ANDREA HAMANN-RICHTER