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Gesund älter werden!

Interview: Universitätsmedizin Halle untersucht die Grundlagen gesunden Älterwerdens

Gesund älter werden!

Prof. Dr. med. Tino Prell, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Altersmedizin. FOTO: UNIVERSITÄTSMEDIZIN HALLE

Wie kann eine Bevölkerung gesund altern und wie eine immer älter werdende Gesellschaft optimal versorgt werden? Auch die Medizin sieht sich aufgrund des demografischen Wandels vor neue Herausforderungen gestellt. Die Universitätsmedizin Halle hat sich zum Ziel gesetzt, die medizinische Versorgung von älteren Menschen im südlichen Sachsen-Anhalt zu sichern, und bündelt ihre Expertise im Zentrum für Altersmedizin im Südlichen Sachsen-Anhalt (ZASSA).Herr Prof. Prell, was genau ist eine Medizin des Alterns?Die Altersmedizin beschäftigt sich mit den gesundheitlichen Besonderheiten älterer Menschen. Das ist wichtig, weil die Ziele und Behandlungen bei älteren Menschen oft andere sind, als bei jüngeren. Daher betrachten wir die Menschen ganzheitlich und behandeln in einem interdisziplinären Team. Im Mittelpunkt der gesamten Behandlung steht der Erhalt der Lebensqualität und Selbstständigkeit.

Was unterscheidet eine Medizin für ältere Menschen von der Medizin für jüngere?

Während bei jüngeren Menschen eher einzelne Erkrankungen im Vordergrund stehen, spielen bei älteren Menschen zahlreiche verschiedene Faktoren und Erkrankungen gleichzeitig eine Rolle. Ein Beispiel: Ein junger Mensch kann eine Gangstörung haben, weil er ein Knieproblem hat. Im Alter mag die Gangstörung zusätzlich noch durch eine Osteoporose, eine Mangelernährung, eine Herzschwäche, eine nachlassende kognitive Leistungsfähigkeit und Nebenwirkungen von Medikamenten bedingt sein. Vielleicht bewegt sich der ältere Mensch auch weniger, weil er einsam ist und das verstärkt den Muskelabbau und die Gangstörung. Wir müssen Gesundheit im Alter auf verschiedenen, vor allem auch auf einer sozialen Ebene verstehen.

Die meisten Menschen haben Sorge wegen des Älterwerdens. Kann man gesund altern und wenn ja, wie?

Das ist eine der wichtigsten Fragen, die wir im ZASSA beantworten wollen. Welche Faktoren sind für ein gesundes Altern wichtig? Wie können diese gezielt gefördert werden? Es gibt viele Dinge, die man selbst aktiv bereits in jungen Jahren angehen sollte, um gesund zu altern. Eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige sportliche Aktivitäten, soziale Kontakte, Nichtrauchen und medizinische Vorsorge sind wichtige Bausteine.

Mit dem ZASSA stellen Sie die medizinische Versorgung der älteren Bevölkerung in der Region sicher. Welche Angebote können Patientinnen und Patienten nutzen?

Wir decken die gesamte Palette an Behandlungsmöglichkeiten für ältere Menschen ab. Stationäre Behandlungen für akute Fälle, tagesklinische Therapien, ambulante und telemedizinische Beratungen. Darüber hinaus bieten wir Informationen und Fortbildungen für ältere Menschen und Interessierte an.

Je älter Patientinnen und Patienten werden, umso eingeschränkter ist oft ihre Mobilität. Wie erreichen Sie Patientinnen und Patienten in den ländlichen Regionen?

Das ist tatsächlich eine große Herausforderung. Mit telemedizinischen Angeboten erreichen wir nur einen Teil der Bevölkerung und meist nur die, die sich ohnehin schon mehr um ihre Gesundheit kümmern. Darüber hinaus brauchen wir ein Netzwerk aus Hausärztinnen und -ärzten, Therapeutinnen und Therapeuten und Selbsthilfegruppen. Es ist wichtig, älteren Menschen zu helfen, sich selbst aktiv um ihre Gesundheit zu kümmern, bevor es zu einer gravierenden Verschlechterung und einem Krankenhausaufenthalt kommt.

Mit zunehmendem Alter verlängert sich die Medikamentenliste vieler Menschen. In diesen Altersgruppen sind jedoch viele Krankenhauseinweisungen auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen zurückzuführen. Was ist zu tun?

Tatsächlich sind die Besonderheiten der medikamentösen Therapie im Alter ein wichtiger Schwerpunkt unserer Arbeit. Mit dem Alter kommt es zu Veränderungen in allen Organen und viele Medikamente werden anders verstoffwechselt. Das kann bedeuten, dass die Dosis angepasst oder bestimmte Medikamente im Alter gegen geeignetere Präparate ausgetauscht werden müssen. Zum geplanten Reduzieren oder Beenden von Medikamenteneinnahmen (Desprescribing) beraten wir in unserer Hochschulambulanz der Universitätsklinik und Poliklinik für Altersmedizin.

Für viele ältere Patientinnen und Patienten geht ein Krankenhausaufenthalt auch mit einer Verschlechterung des geistigen Zustands einher. Was hilft dagegen?

Das sogenannte Delir (Verwirrtheitszustand) ist ein häufiges Problem bei älteren Menschen im Krankenhaus. Es ist ein ernstzunehmender Notfall, der oft durch viele Faktoren ausgelöst wird, wie beispielsweise kognitive Probleme, Infektionen oder ungeeignete Medikamente. Wichtig ist, Delire zu verhindern und, wenn sie auftreten, konsequent zu behandeln. Wir haben hierzu das DelirCare-Programm entwickelt, das einen Großteil von Deliren vermeid- und behandelbar macht. Dieses mehrmodulige Programm findet in der Universitätsklinik und Poliklinik für Altersmedizin Anwendung und soll in den Kliniken des ZASSA implementiert werden.