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Zwei Schicksals-Winke und ein Kriminalfall: Buch zur Geschichte des Freyburger Winzerfest

ERINNERUNGEN: Der Historiker Wieland Führ legt ein Buch zur Geschichte des Freyburger Winzerfests vor.

Zwei Schicksals-Winke und ein Kriminalfall: Buch zur Geschichte des Freyburger Winzerfest

Weingott Bacchus, eine Symbolfigur des Freyburger Winzerfestes, dargestellt von Jost Naumann (2019). FOTO: NICKY HELLFRITZSCH

Manchmal braucht es den berühmten Wink des Schicksals, damit jemand zu einem Ziel aufbricht respektive etwas ganz Neues entsteht. Bei Wieland Führ waren es, wenn man so möchte, gleich zwei solcher Winke, die letztlich den Impuls für sein neuestes Buch lieferten. Nach einjähriger Arbeit legt der studierte Historiker, der den meisten Lesern von Tageblatt/MZ bereits durch seine zahlreichen regionalgeschichtlichen Beiträge in dieser Zeitung nebst dem Burgenlandjournal bekannt sein dürfte, in Kürze ein knapp 300-seitiges Werk zur Geschichte des Freyburger Winzerfest von dessen Anfängen bis in die Gegenwart vor.      

Zweiter Lockdown gab den Anstoß

„Ich habe im Oktober vorigen Jahres Hans-Joachim Jasiulek in Freyburg besucht, der sich selbst bereits seit bestimmt fast fünf Jahrzehnten in seiner Freizeit intensiv mit der Geschichte unserer Heimatregion befasst. An irgendeinem Punkt unseres Gesprächs verwies er darauf, dass er einen in Rede stehenden Fakt mal fix in seiner Winzerfest-Mappe nachschlagen wolle“, schildert Wieland Führ. Tatsächlich hätten sich hinter der erwähnten Mappe dann gleich mehrere proppenvolle Ordner mit einer erstaunlichen Menge an Material und Zeitdokumenten zum Winzerfest verborgen. „Da habe ich schon – eher im Scherz – gesagt, dass man daraus eigentlich ein Buch machen müsste – was Hans-Joachim sich aber nicht so recht zutrauen mochte“, so Führ.

Doch weil das Leben im vorigen Herbst noch eine zweite Fügung bereithielt – den zweiten Lockdown nämlich, der das von Wieland Führ betriebene Kulturreise-Unternehmen abermals zur kompletten Untätigkeit verurteilte –, entschloss sich dieser kurzerhand, das Ganze selbst in die Hand zu nehmen.

„Hans-Joachim Jasiulek hat mir dankenswerterweise sein ganzes Winzerfest-Konvolut zur Verfügung gestellt. Das hat eine richtiggehende ,Kettenreaktion’ ausgelöst, in deren Rahmen sich noch weitere Heimatforscher der Region mit Hinweisen und historischen Unterlagen bei mir meldeten“, berichtet der Autor, der sich sodann unverzüglich daran machte, das Material zu sichten und zu systematisieren sowie ergänzend – soweit trotz Corona möglich – in Archiven und Museen etwa in Naumburg, Weißenfels und Querfurt zu recherchieren.

Seine Forschungen förderten dabei allerlei Erstaunliches zutage – etwa den Befund, dass es bis dato so gut wie keine Veröffentlichungen gab, die sich mit der Geschichte regionaler Weinfeste beschäftigten: „eine von mir nicht erwartete Forschungslücke“, wie Wieland Führ sagt. Lediglich und ausgerechnet (noch ein Schicksalswink!?) in Freyburgs Partnerstadt Nierstein (Rheinland-Pfalz) sei im vorigen Sommer, bundesweit wohl so ziemlich erstmals überhaupt, eine historische Betrachtung zum örtlichen Weinfest publiziert worden. 

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Buchautor Wieland Führ FOTO: PRIVAT
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Festumzug Winzerfest 1987 FOTO: ARCHIV FÜHR

Noch keine hundert Jahre Tradition

Überraschung Nummer zwei: Wer nun glaubt, dass es das Freyburger Winzerfest (und sämtliche gleichgelagerten Veranstaltungen) gefühlt „schon immer“ gebe, sei auf dem Holzweg.

„Die Winzerfeste sind praktisch durch die Bank ein Produkt des 20. Jahrhunderts – und zwar insbesondere der 1930er und dann, in einer zweiten Welle, der 1960er und 1970er Jahre“, klärt Wieland Führ auf, der sich in einem Kapitel seines Buches auch mit der Weinkultur in der Zeit vor der Etablierung alljährlicher Winzerfeste beschäftigt: Zuvor sei das Thema Wein in der Regel im Rahmen der Kirchweih- beziehungsweise Erntedankfeste gewissermaßen „mitgelaufen“ und nicht eigens und gesondert zelebriert worden.

Das erste Freyburger Winzerfest fand am 8. Oktober 1933 statt – mithin in einer Periode, die historisch betrachtet viel Heikles und in der Folge bekanntlich zunehmend Düsteres in sich barg, wie Wieland Führ einordnet: „Aber Geschichte kann man sich nicht aussuchen: Fakt ist, dass die Menschen seinerzeit in geradezu euphorischer Stimmung waren, was nicht unwesentlich zum Aufkommen zahlreicher solcher Veranstaltungen eben genau in jener Vorkriegszeit beigetragen haben dürfte.“

Doch die soeben begründete Tradition fand in Freyburg bereits mit der 1938er Auflage wieder ein jähes (vorläufiges) Ende; das 1939 anstehende Fest fiel wegen des gerade angezettelten Weltkriegs dann schon aus. Beinahe einem Kriminalfall gleich kam für Führ die Beantwortung der Frage, in welchem Jahr genau denn das erste Nachkriegs-Winzerfest stattgefunden hat – „denn dazu sind praktisch keinerlei Unterlagen überliefert“, merkt der Autor an und vermag den Neustart dennoch zu datieren – und zwar auf 1947. 
  

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Festumzug auf dem Winzerfest 1959 FOTO: ARCHIV FÜHR

Das Winzerfest als wichtiger Zeitzeuge

„Letztlich bin ich auf ein Winzerfest-Plakat von 1948 gestoßen, auf dem es hieß: zum zweiten Mal nach dem Zusammenbruch“, schildert der Historiker und weist auf die bemerkenswerte Wortwahl hin, die sich noch ganz fundamental von der später mit Blick auf das Kriegsende üblichen Formulierung „Befreiung von Faschismus und Hitler-Regime“ unterschied. Ähnlich überraschend dürfte für die meisten sein, in welch starkem Maße in der DDR noch bis Anfang der 1960er Jahre der Gedanke eines vereinigten Deutschlands präsent war – und auch auf Transparenten, in Drucksachen sowie Zeitungsartikeln seinen Niederschlag fand.

„Saale und Unstrut / Mosel und Rhein / gehören zusammen / wie Wahrheit und Wein“, hieß es beim Freyburger Winzerfest noch 1959 auf einem Spruchband; der Konsum-Markt kam mit Werbebannern à la „Unstrut, Mosel, Rhein / einig Deutschland soll es sein“ daher. Insofern vereinten sich in seinem Werk vielerlei Aspekte: Kulturgeschichte, Volkskundliches und nicht zuletzt deutschdeutsche Historie, legt der Forscher dar. Speziell einige DDR- „Eigenheiten“ spiegelten sich mit Blick auf das Freyburger Winzerfest wie in einem Prisma wider: die Nutzung (auch) für politische Belange, die wundersam reichhaltige Versorgung beim Volksfest mit all jenem, was sonst im Alltag als „Bückware“ kaum zu haben war, in späteren Jahren auch Auseinandersetzungen mit jenen Unangepassten, die innerhalb des DDR-Systems kurzerhand als „Gammler“ etikettiert wurden. 
       

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Es ist Wieland Führs erklärtes Ziel, den Spagat zu schaffen, mit seinem Winzerfest-Buch sowohl dem locker interessierten „Otto Normalverbraucher“ jede Menge „Futter“ und Wissenswertes zu bieten wie gleichfalls eine profunde historische Darstellung vorzulegen, die auch dem kritischen Blick von Fachkollegen genügt. Was jene besonders freuen dürfte, die darauf hoffen, in dem Werk womöglich auf Spuren ihrer – beispielsweise an Umzug oder Weinköniginnen-Proklamation beteiligten – Familienangehörigen zu stoßen: Das knapp 300 Seiten starke Buch ist mit gut 1.000 Fotos und Abbildungen versehen, wobei in diesem Zusammenhang besonders die erheblichen Umfang einnehmende Bilderchronik von 1933 bis 2020 hervorzuheben ist.

„Zudem gibt es einen Abbildungsteil mit besonders attraktiven Wein- und Sekt-Etiketten vornehmlich aus den 1930er bis 1950er Jahren“, verrät der Naumburger. Was das Stichwort gibt: Vom ganzen Erscheinungsbild, Ausstattung und optischer Aufmachung her soll das großformatige Buch ein außergewöhnlich hochwertiges Produkt werden. „Es lässt sich wirklich sagen, dass wir weder Kosten noch Mühen gescheut haben“, betont Wieland Führ, der sich überglücklich schätzt, dass trotz Rohstoffknappheit und explodierender Preise noch ein auskömmliches Papierkontingent für seine Publikation organisiert werden konnte – in Italien übrigens. 
 

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Das erste öffentliche Winzerfest in Freyburg auf dem Markt am 8. Oktober 1933. FOTO: ARCHIV FÜHR
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Ein Kandidat für den Sachbuchpreis?

Gedruckt werde das Werk in der DZA Druckerei zu Altenburg, die als die älteste heute noch aktive Druckerei in Deutschland gelte und die, was wirklich selten geworden sei, alle mit der Herstellung eines Buches verbundenen Teilprozesse noch selbst und somit quasi aus einer Hand abdecke. „Mit meiner Leipziger Grafikerin Kristina Brusa habe ich bereits geflachst, dass wir damit aber bitteschön dann auch den Deutschen Sachbuchpreis gewinnen“, erzählt der 67-Jährige.

Und wie es mit seinen ganz persönlichen Winzerfest-Erfahrungen aussehe? „Die sind nicht gar so umfangreich, weil ich eher Individualist und jetzt kein ausgesprochener Dauergast auf Massenveranstaltungen bin. Aber beispielsweise an das Winzerfest 2008 mit der scheidenden Gebietsweinkönigin Marika Böhme und der neuen Regentin Kerstin Fliege habe ich noch ganz lebhafte Erinnerungen und auch daran, wie Heino Kirbst aus Sieglitz mit seinem Opel-Oldtimer vorfuhr: Er ist ja auch ein passionierter Heimatforscher“, blickt Wieland Führ zurück.

Das Winzerfest-Buch von Wieland Führ soll ab November 2021 in ausgewählten Buchhandlungen der Region erhältlich sein. Wer bis 30. November direkt beim Autor bestellt (per Mail an: info@kulturreisen-mitteldeutschland.de), sichert sich den vergünstigten Subskriptionspreis.