Bald 20 Euro für ein Essen?
RESTAURANTS: Die Gastronomie kämpft mit den Folgen der Pandemie und gestiegenen Kosten. Viele suchen verzweifelt Personal.

FOTO: IMAGO/DESIGN PICS
Die Cafés und Restaurants sind wieder voll, in manchen Regionen eröffnen sogar neue Lokale. Doch die Branche leidet an den Langzeitfolgen der Pandemie. „Etwa 80 bis 100 Betriebe haben während der Coronazeit aufgegeben“, sagt Michael Schmidt, Präsident des Gastroverbandes Dehoga in Sachsen-Anhalt. Das seien etwa zehn Prozent der im Verband organisierten Firmen. Zwar hätten auch neue Lokale eröffnet. „Aber die Personalsituation ist dramatisch. Es fehlen Leute, Betriebe sind zu Ruhetagen und kürzeren Öffnungszeiten gezwungen.“

Laut Statistischem Landesamt waren 2019 insgesamt noch rund 4.650 gastronomische Betriebe gemeldet. 2021 waren es rund 4.100, ein Rückgang um zwölf Prozent. Die Gastwirtschaft kämpft wie andere Branchen seit Jahren gegen akuten Fachkräftemangel. Die Pandemie verstärkte die Probleme, weil Personal abwanderte. Positiv sei ein Anstieg bei den Azubis, sagt Schmidt. „Doch knapp die Hälfte kommt über unser Anwerbungsprojekt aus dem Ausland, aus Vietnam, Indonesien und Indien.“
Die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau Gastgewerbe sieht das in einem „Teufelskreis“, so Geschäftsführerin Antje Bauer. „Personalmangel führt zu verringerten Angeboten und Öffnungszeiten, was weitere Umsatzrückgänge nach sich zieht.“ Hinzu kämen enorm gestiegene Ausgaben für Energie und Lebensmittel. „Kosten steigen, Gewinne sinken“, so Bauer. Und: „Inflationsbedingt schränken die Gäste ihren Konsum deutlich ein. Die Branche kann diese Zwickmühle kaum verlassen.“ Die staatliche Energiepolitik sei für die Betriebe nicht mehr „nachvollziehbar und teilweise auch nicht finanzierbar“.
Laut Schmidt reichten die Umsätze der Gaststätten und Hotels nicht an die Zeit vor Corona heran. „Die Gastwirte haben die Preissteigerungen weitergereicht, das erhöht den Umsatz. Es bleibt aber nicht mehr im Portemonnaie.“ Auch Schmidt selbst habe 100 Prozent mehr Energiekosten für seine zwei Gasthäuser und Hotels in Naumburg. „Und bald soll ein noch höherer Mindestlohn kommen.“ Das hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für Anfang 2024 in Aussicht gestellt. „Dann wird es überall kein Essen mehr unter 20 Euro geben“, sagt Schmidt.
Dabei sitze das Geld ohnehin nicht mehr so locker, erklärt Sebastian Sieber, Inhaber des Hotels und Restaurants „Waldschlösschen“ nahe der Arche Nebra (Burgenlandkreis). „Mit der Inflation kommen weniger Gäste, einen Restaurantbesuch können sich immer weniger leisten.“ Seit Monaten sucht er zudem Personal, neun Stellen sind unbesetzt. Die Öffnungszeiten wurden reduziert.
„Ab Juni öffnet die Arche und eigentlich auch unser SB-Café dort. Ich weiß nicht, wie wir alles abdecken.“ Die Gastronomie sieht er in einem Dauertief. „Die Kosten sind extrem, für einen Teller Schnitzel müsste man 35 Euro verlangen. Aber das geht nicht.“
Im Restaurant „Mönchshof“ in Halle ist von Gästeschwund keine Rede. „Die Nachfrage ist da, aber den Personalmangel werden wir nicht los“, sagt Chef Jens Liebezeit. So fehlten in der Küche Mitarbeiter. Und die Kosten stiegen in allen Bereichen, auch für Personal, weiter.
„Noch können wir kompensieren. Wir haben Preise angehoben, die Gäste akzeptieren das. Aber man kann das nicht unendlich weiter treiben.“
Schmidt fordert politische Lösungen. Die bis Ende 2023 geltende niedrigere Mehrwertsteuer für die Gastronomie müsse entfristet werden. Zudem müssten Betriebe über den Bedarf hinaus ausbilden. Die IHK sieht in Zuwanderung eine Entlastung des Arbeitsmarktes. Doch dafür müssten bürokratische Hürden abgebaut werden.