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„Das war ein scharfes Schwert der Landesregierung“, so Harri Reiche zur Kreisgebietsreform des Burgenlandkreises

INTERVIEW: Altlandrat Harri Reiche beleuchtet im Rückblick einige Aspekte der Kreisgebietsreform von 2007

„Das war ein scharfes Schwert der Landesregierung“, so Harri Reiche zur Kreisgebietsreform des Burgenlandkreises

Blick auf die Landkreisverwaltung des Buurgenlandkreises in Naumburg. Mit der Kreisgebietsreform sind auch in der Verwaltung die Strukturen verändert und im Sinne einer höheren Effizienz gestrafft worden. FOTO: ARCHIV/ZENTNER

Harri Reiche, Jahrgang 1953, war Landrat des früheren und des heutigen Burgenlandkreises von 2001 bis 2014. Er hat die Kreisgebietsreform von 2007 in einer herausragenden Position miterlebt und maßgeblich mit umgesetzt. Im Gespräch mit der Redaktion der Mediaagentur Mitteldeutschland beleuchtet der Kommunalpolitiker noch einmal wichtige Aspekte der Reform. Mit dem Landrat a.D. sprach Wolfgang Zerfass.Herr Reiche, wie haben Sie die Monate vor und nach der Kreisgebietsreform im Sommer 2007 erlebt?Harri Reiche: Es war für alle Beteiligten eine anspruchsvolle Zeit. Man muss aber betonen, dass all die verschiedenen Akteure, von der Landes- bis hinunter zur Kreisebene, gewillt waren, diese Reform umzusetzen und dass sie dieses Vorhaben unterstützt haben.

Es gab aber nicht überall Zustimmung - oder?

Harri Reiche: Nein, es gab verständlicherweise auch viel Skepsis. Die Reform wurde vom Land Sachsen-Anhalt angeschoben und wichtigstes Ziel dabei war es, bestehende Landkreise aufzulösen beziehungsweise zu fusionieren. Das war ein scharfes Schwert. Manche Landkreise bestehen ja schon seit 200 Jahren. Die Kreise sind nicht mit wehenden Fahnen in diese Schlacht gezogen. Als das Gesetz zur Reform in Magdeburg verabschiedet wurde, hieß es aber für uns, diese wohl oder übel, dabei aber ordentlich umzusetzen, was nur durch die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Bürgermeistern und Kreisräten möglich wurde.

War die Kreisgebietsreform in Ihren Augen ein Erfolg?

Harri Reiche: Sie ist unterm Strich gelungen. Wir haben das im Burgenlandkreis auch besser hinbekommen als andere Landkreise in Sachsen-Anhalt. Mit Blick auf die Herausforderungen jener Jahre - ich erinnere an die weltweite Finanzkrise von 2008 und das Hochwasser an Saale, Unstrut und Weißer Elster von 2013 - hatten wir damals kompakte Verwaltungsstrukturen geschaffen, die sich im Rahmen der Gefahrenabwehr als schlagkräftige, gut funktionierende Einheiten erwiesen haben.

Was ist im Nachhinein kritisch anzumerken?

Harri Reiche: Die Landkreise hatten vom Land parallel zur Gebietsreform auch eine Funktionalreform eingefordert. Das heißt, verschiedene Aufgaben und Zuständigkeiten sollten vom Land auf den Kreis übertragen werden. Das ist aber nicht geschehen.

Verbessert werden sollte mit der Reform auch die Bürgernähe der Verwaltung. Wurde das erreicht?

Harri Reiche: Eine schwierige Frage. Zum Teil. Wir haben versucht neben Naumburg auch in Weißenfels, Zeitz und Hohenmölsen bürgernahe Verwaltungsstrukturen vorzuhalten, um vielen Bürgern weite Wege zu ersparen.

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Nach der Kommunalwahl 2014 übergab Harri Reiche den Schlüssel des Landratsamtes an seinen Nachfolger Götz Ulrich. FOTO: B. ZENTNER
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Harri Reiche mit seiner Familie in der Magdeburger Staatskanzlei. Am Montag erhielt der Landrat a.D. das Bundesverdienstkreuz am Bande. FOTO: BURGENLANDKREIS

Wurde im Zuge der Reform auch Personal abgebaut?

Harri Reiche: Anfangs noch nicht. Es gab rund 800 Mitarbeiter in der Verwaltung, über 2000 waren es, wenn man die kreiseigenen Gesellschaften hinzuzählt. Deren Fusion zog sich über einen längeren Zeitraum hin. Bei der Sparkasse war das Ende 2008 abgeschlossen. Dann mussten natürlich auch etliche Personalstellen neu vergeben beziehungsweise gestrichen werden.

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Die Sparkasse Burgenlandkreis fusionierte erst Ende 2008, anderthalb Jahre nach der Kreisgebietsreform. Auch hier mussten Personalstellen neu vergeben beziehungsweise abgebaut werden. FOTO: ARCHIV/KRIMMER
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Das Hochwasser an Saale, Unstrut und Weißer Elster richtete 2013 große Schäden in Naumburg und anderen Orten des Burgenlandkreises an. Die Kreisverwaltung stellte das vor ein schwieriges Krisenmanagement. FOTO: A. STEDTLER

Wie sah Ihr persönliches Arbeitsumfeld aus? Sie hatten im Zuge der Reform sicher noch einen Berg Arbeit mehr zu bewältigen.

Harri Reiche: Ja, das war sehr vielfältig. Das Aufgabengebiet reichte von Kultur und Sport bis hin in die Bereiche Infrastruktur, Gesundheitswesen und Wirtschaft sowie die manchmal undankbaren Entscheidungen zur Schulentwicklungsplanung. Für den Landrat hat sich die Mehrarbeit dank vieler engagierter Akteure, die ihn unterstützt haben, sowie einer leistungsstarken Kreisverwaltung relativiert. Sie haben aktiv für die Sache geworben, haben mit vertrauensbildenenden Maßnahmen wirkungsvolle Überzeugungsarbeit geleistet.

Welche Wünsche knüpfen Sie an die künftige Entwicklung des Landkreises? Was würden Sie dem jetzigen Landrat, Götz Ulrich, mit auf den Weg geben wollen?

Harri Reiche: Dass die zuständigen Gremien im Landkreis durch das Land genügend Unterstützung für die Bewältigung der Aufgaben beim Strukturwandel finden. Ich hoffe, dass die Beteiligten das Beste aus der Situation machen und die umfangreichen Mittel aus den Strukturfonds sinnvoll einsetzen und gerecht verteilen. Das wird nicht einfach. Vor allem muss die Schaffung neuer Arbeitsplätze vorankommen. Ich bin überzeugt, dass Landrat Götz Ulrich diese Herausforderungen im Sinne des Burgenlandkreises meistern wird.

Auszeichnung für Harri Reiche

EHRUNG: Einstiger Landrat erhält Bundesverdienstkreuz

Dem früheren Landrat des Burgenlandkreises, Harri Reiche, wurde am Montag in Magdeburg das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Das teilte die Staatskanzlei mit. Die höchste Anerkennung für Verdienste um das Gemeinwohl erhält der 69- Jährige, der von 2001 bis 2014 Landrat war, von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) während einer Feierstunde und im Auftrag des Bundespräsidenten. Reiche wird die Auszeichnung zusammen mit drei weiteren verdienten Bürgern des Landes Sachsen-Anhalt zuteil.

Wie aus in einer Pressemitteilung der Staatskanzlei hervorgeht, wurde Harri Reiche für sein Wirken um die Entwicklung seiner Heimatregion und sein kommunalpolitisches Engagement geehrt. „Reiche war lange Jahre Leiter des gemeinsamen Verwaltungsamtes der damaligen Verwaltungsgemeinschaft Mittlere Unstrut und von 2001 bis 2014 Landrat des Burgenlandkreises. In dieser Eigenschaft hat er zudem wichtige Funktionen im Landkreistag Sachsen-Anhalt und im Deutschen Landkreistag wahrgenommen“, heißt es. Ehrenamtlich widme er sich seit vielen Jahren mit großem Engagement der kulturellen Entwicklung des Burgenlandkreises, so beispielsweise im Rahmen der Kulturstiftung Hohenmölsen und in der Stiftung Kloster und Kaiserpfalz Memleben. Zur Auszeichnungsveranstaltung im Palais am Fürstenwall wurde Harri Reiche von seiner Familie, Freunden und Landrat Götz Ulrich begleitet. MICHAEL HEISE